Etwas mehr als ein Jahr nach Beginn des Zweiten Weltkrieges, am 15. Oktober 1940, fand in New York die Premiere des Films «Der grosse Diktator» von Charlie Chaplin statt. Es war das erste vollständig als Tonfilm gedrehte Werk des grossen Schauspielers des Stummfilms. Chaplin spielte darin zwei Rollen: jene des verfolgten jüdischen Friseurs und als Parodie auf Hitler die Rolle Hynkels, des Diktators von Tomanien. Als Perfektionist, der er war, schrieb er zudem das Drehbuch wie auch die Musik, führte Regie, produzierte den Film und nahm sogar auf das Licht und die Kameraführung Einfluss. Zusätzlich legte er Einzelheiten der Kostüme und des Casting fest. Die Vereinigten Staaten waren 1940 noch ein neutrales Land und verschiedene Kreise konnten sich für den Film nicht begeistern. Aus Angst vor Protesten beschloss Chaplin, den Film nicht in Los Angeles uraufzuführen. Scheinbar gab es aber von Seiten des Präsident Roosevelt Zeichen der Unterstützung für den Film.
Chaplins geniale satirische Komödie ist sicher die berühmteste einer Reihe von in Hollywood gedrehten antinazistischen Filmen. Nach dem Kriegseintritt der Vereinigten Staaten produzierte sogar Walt Disney mehrere Trickfilme, welche die Figur des deutschen Führers karikierten. Auch die Welt des Comics leistete ihren Beitrag zur Kriegspropaganda. Viele amerikanische Superhelden von Superman bis zu Captain America machten Hitler, Jahre vor den alliierten Truppen im Mai 1945, den Garaus.
«Der grosse Diktator» wurde in fünf Kategorien für einen Oscar nominiert, doch schliesslich unterlag er dem dramatischen Thriller «Rebecca» von Alfred Hitchcock. Chaplins Film wurde trotzdem ein grosser Erfolg, auch in wirtschaftlicher Hinsicht. In den USA und in Grossbritannien kam er sofort zur Aufführung, während er im von den Nazis kontrollierten Europa natürlich zensuriert wurde. Nach dem Krieg wurde er 1945 in den Kinosälen Frankreichs, 1946 in Italien und 1958 in Deutschland gezeigt. In Spanien musste man sich noch bis 1976, bis nach dem Tod des Diktators Franco, gedulden.
Chaplin interpretiert im Film Hitler mit grosser Genialität, die Mimik des Diktators ist ausgefeilt bis ins kleinste Detail. Eine Rede des Führers zum Beispiel wird in einer lautmalerischen Kunstsprache wiedergegeben, die ihren phrasenhaften Stil imitiert und ins Lächerliche zieht. Grandios ist die Szene des Wettkampfes zwischen Hynkel/Hitler und Napoloni/Mussolini und diejenige, in welcher der Führer im Rhythmus zur Musik von Wagner mit einem Weltkugel-Ballon spielt, der ihm in der Hand wie eine Seifenblase zerplatzt. Fast ein wenig beunruhigend wirkt die äusserliche Ähnlichkeit zwischen Chaplin und Hitler. Die zwei Männer wurden im gleichen Jahr geboren: Chaplin kam am 16. April 1889, vier Tage vor Hitler, zur Welt. Der Film «Der grosse Diktator» bewegt sich zwischen Komödie, Parodie und beissender Kritik an Hitler und ist eine prophetische Sicht auf die letzten Jahre des deutschen Diktators. Chaplin täuschte sich 1940 nur über das Ausmass der Massaker und Vernichtungen, welche das nationalsozialistische Regime noch begehen sollte.
[Datum der Erstausstrahlung: Radiotelevisione Svizzera RSI, Rete Due, 12. März 2013, 07:05 Uhr]