Heute ist der 17. September und es war der 17. September 1965, als der Delegierte des Bundesrates für Handelsverträge, Minister Paul Rudolf Jolles, einen langen, in besorgtem Ton abgefassten vertraulichen Bericht (dodis.ch/31687) zur Sitzfrage der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung, der UNCTAD, unterzeichnete. Was war geschehen? Im April 1965 hatte der UNCTAD-Rat in New York einstimmig beschlossen, das Sekretariat der UNCTAD am Sitz der Vereinten Nationen in Genf einzurichten. Im Sommer aber sickerten aus verschiedenen Hauptstädten Informationen durch, wonach die italienische Regierung beabsichtigte, den Sitz der UNCTAD nach Rom zu verlegen und mit einer Kampagne, die das Bild einer bereits von vielen anderen internationalen Organisationen verstopften Stadt zeichnete, Genf zu diskreditieren. Tatsächlich war es so, dass sich Genf durch die wachsende Präsenz von internationalen Beamten in den 1960er Jahren mit einer Reihe von Problemen im Immobilien- wie auch im Telekommunikationsbereich konfrontiert sah und sogar die Telefonanschlüsse Schwierigkeiten bereiteten. Die Infrastrukturprobleme schufen zudem ein günstiges Klima für fremdenfeindliche Strömungen, die in der neuen Partei der «Vigilants» ihren Ausdruck fanden.
Die Debatte in der Versammlung der UNCTAD wurde gegenüber der Schweiz, die als nicht sehr gastfreundlich bezeichnet wurde, ziemlich heftig und kritisch geführt. Um den Sitz der UNCTAD zu retten, sah sich der Bundesrat gezwungen, Zusicherungen auszusprechen und sein Engagement für ein «internationales Genf» deutlich zu verstärken.
Heute zählt das «internationale Genf» 30 Regierungs-Organisationen und mehr als 250 Nicht-Regierungs-Organisationen. Die Rhonestadt wird jedes Jahr von Tausenden von ausländischen Ministern, Regierungs- und Staatspräsidenten besucht; 172 der 193 Staaten der Welt unterhalten dort eine eigene diplomatische Mission. Fast 30’000 Personen arbeiten direkt für dieses wichtige Zentrum der globalen internationalen Beziehungen und machen Genf zum weltweit aktivsten Ort der multilateralen Diplomatie. Dieser offenkundige Erfolg zeigt, dass viele der Massnahmen, die Minister Jolles in seinem Bericht von 1965 vorgeschlagen hatte, um die gegen die Schweiz vorgebrachte Kritik einzudämmen, vom Bundesrat umgesetzt wurden und es ihm damit gelungen ist, Genf als internationale Stadt zu erhalten.
Diese und viele weitere spannende Geschichten zu den internationalen Beziehungen aus dem Blickwinkel der Schweiz können in den Dokumenten der Online-Datenbank Dodis (www.dodis.ch) der Diplomatischen Dokumente der Schweiz entdeckt werden.
[Datum der Erstausstrahlung: Radiotelevisione Svizzera RSI, Rete Due, 17. September 2013, 07:05 Uhr]