Bei der Anerkennungspraxis von Staaten folgt die Schweiz der sogenannten Drei-Elemente-Lehre, was soviel bedeutet, dass die Anerkennung das Vorliegen eines Staatgebiets, eines Volkes und einer rechtmässigen Regierung voraussetzt.
Vor 51 Jahren, am 18. März 1968, legte der Chef des Juristischen Dienstes des Eidgenössischen Politischen Departements, Emanuel Diez, in einer vertraulichen Notiz Bericht ab von den Ergebnissen eines Gesprächs mit dem Generalsekretär der Swissair zur Lehre, die aus der letzten Landesverteidigungsübung gezogen werden sollte. Im Kriegsfall hätte die Swissair demnach beschlossen, die Langstreckenflugzeuge nach Mexiko, wo günstigere klimatische Bedingungen herrschten, oder nach Kanada, das möglicherweise politische Vorteile bot, zu verlegen. Tatsächlich hatten Delegationen beider Länder bereits im Oktober 1959 in einem vertraulichen Briefwechsel die vorübergehende Verlegung von Schweizer Gesellschaften nach Kanada während einer internationalen Krise vereinbart.
Die mexikanische wie auch die kanadische Option wäre für die Swissair wegen der Nähe zu den technischen Basen in den USA vorteilhaft gewesen. Für die Kurzstreckenflugzeuge hingegen prüfte die Gesellschaft als Alternative Spanien, obschon sie sich der Problematik im Zusammenhang mit der Diktatur von General Franco bewusst war.
Die Swissair beschränkte sich bei der Wahl für eine Verlegung ihres Sitzes nicht auf Mexiko oder Kanada, sondern zog auch den allfälligen Zufluchtsort des Bundesrates in Betracht, was schliesslich den Hauptgrund für den Ideenaustausch mit dem Eidgenössischen Politischen Departement bildete. Diez informierte also die Swissair über die eidgenössischen Pläne zur Verlegung der Schweiz an einen anderen Ort und über die Kontakte mit den jeweiligen ausländischen Regierungen. Von den Gesprächen mit der mexikanischen Regierung hatte die Fluggesellschaft bereits Kenntnis, weiter legte der Chefbeamte dar, dass nun die Lage in Australien und vielleicht auch in Neuseeland ausgelotet werde. In der Tat entschied der Bundesrat am 23. September 1968, die Schweizer Botschaft in Canberra zu beauftragen, einen Notenwechsel mit der australischen Regierung zu führen, damit für den Fall einer internationalen Krise alle Einzelheiten einer Sitzverlegung von Schweizer Gesellschaften geregelt werden konnten. Bereits ein Monat später war das Übereinkommen der zwischen den zwei Staaten perfekt: Im Kriegsfall hätte sich die Schweiz kurzerhand nach Australien verlegt. Nach der Theorie der Drei-Elemente-Lehre müsste man sich jedoch eindringlich fragen, ob sich die Schweiz – mit einem Territorium anderswo – selber hätte überhaupt anerkennen können.
Diese und andere spannende Geschichten zu den internationalen Beziehungen aus dem Blickwinkel der Schweiz findet man unter den Dokumenten der Online-Datenbank Dodis der Diplomatischen Dokumente der Schweiz.
[Datum der Erstausstrahlung: Radiotelevisione Svizzera RSI, Rete Due, 18. März 2014, 07:05 Uhr]