«Der Europarat ist der Ort, wo wir aus nächster Nähe das ‹Klima› Europas erspüren können», erklärte Nationalrat Max Weber im November 1963. Vor 56 Jahren, am 6. Mai 1963, trat die Schweiz dem Europarat mit Sitz in Strassburg bei. In einer Zeit grosser Ungewissheit über die weitere Entwicklung der europäischen Integration und der transatlantischen Beziehungen hoffte nicht nur Nationalrat Weber, dass Bern Einfluss auf die Debatten dieses europäischen Forums nehmen konnte.
Der Europarat wird 1949 als europäische internationale Organisation zur Förderung der Demokratie und der Menschenrechte gegründet. Ein Beitritt der Schweiz kam für den damaligen Chef der Schweizer Diplomatie, Bundesrat Max Petitpierre, noch nicht in Frage. Gemäss seiner Doktrin hätte die Mitgliedschaft in einer «politischen» Organisation die Neutralitätspolitik aufs Spiel gesetzt.
Trotz der Befürchtungen in Zusammenhang mit der Neutralität und vielleicht auch – wie wir gleich sehen werden – durch zwei wenig demokratische schweizerische Eigentümlichkeiten kommt es in den folgenden Jahren zu einer Annäherung, insbesondere durch die Mitarbeit in den als «technisch» bezeichneten Organen.
Die Strategie der Schweiz, zwischen den «politischen» und den «technischen» Organen zu unterscheiden, ermöglichte es ihr, sich auch ohne formellen Beitritt immer stärker in die internationalen Organisationen zu integrieren. Die Bundesversammlung entsandte seit 1961 Beobachter nach Strassburg und bereits 1962 beschloss der Bundesrat, eine Vollmitgliedschaft vorzuschlagen. Einige Parlamentarier sahen in diesem Beitritt eine «Stärkung der heiklen Position der Schweiz in Europa und der Welt». Der Europarat wäre in der Tat «eine exzellente Schule, um mit anderen Ländern in den Dialog zu treten» (dodis.ch/30453). Dass die Frauen in der Schweiz damals noch vom Wahl- und Stimmrecht ausgeschlossen waren und die Bundesverfassung konfessionelle Ausnahmeartikel enthielt, erwies sich für den Beitritt zum Europarat nicht als Hindernis (dodis.ch/31471). Die 1950 vom Europarat verabschiedete Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) unterschrieb die Schweiz aber erst im Jahre 1974, nachdem sie 1971 das Frauenstimmrecht eingeführt und 1973 die Jesuitenverbote aufgehoben hatte.
Diese und viele weitere spannende Geschichten zu den internationalen Beziehungen aus dem Blickwinkel der Schweiz können in den Dokumenten der Online-Datenbank Dodis der Diplomatischen Dokumente der Schweiz aufgespürt werden.
Link zum e-Dossier der Diplomatischen Dokumente der Schweiz: dodis.ch/dds/1923
[Datum der Erstausstrahlung: Radiotelevisione Svizzera RSI, Rete Due, 21. Mai 2013, 07:05 Uhr]