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Oggi la storia20.11.2016

Die Zensur von der Staatsräson zur privaten Räson

Winston Smith ist ein 39-jähriger grüblerischer Mann, schmächtig und gebrechlich. Er arbeitet im Ministerium für Wahrheit (oder Miniwahr in Neusprech) in einem riesengrossen Gebäude, in dessen Untergeschossen sich gigantische Verbrennungsanlagen verbergen. Seine Aufgabe ist es, die bereits veröffentlichten Zeitungsartikel zu «korrigieren» und die geschriebene Geschichte den sich ändernden Bedürfnissen der Partei anzupassen. «Wer die Vergangenheit kontrolliert», lautet der Slogan der Partei, «kontrolliert die Zukunft. Wer die Gegenwart kontrolliert, kontrolliert die Vergangenheit.» Winston Smith wirft deshalb die unerwünschten Dokumente in an die Verbrennungsöfen angeschlossene Luftschläuche, die «Erinnerungslöcher» genannt werden. Offensichtlich geht es hier um George Orwells weltberühmten Roman «1984». Orwells Dystopie wirft die für den Historiker entscheidende Frage nach der Kontrolle der Quellen auf. Gerade vor ein paar Wochen, als ich für eine Tagung in Bern meinen Beitrag zur Frage der Zugangs- und der Nutzungsrechte für historische Quellen im Web vorbereitete, durchkreuzte Winston Smith meine Gedanken. Tatsächlich liess die Zensur in den Zeiten ihrer grössten Blüte unbequeme und wenig zweckmässige Dokumente in den «Erinnerungslöchern» von geheimen und unzugänglichen Archiv-Mäandern verschwinden. Dazu genügte es, sich auf die Staatsräson zu berufen. Heute gehört der Zugriff auf die Archive zu den Mindestvoraussetzungen jeder Demokratie und so gewährt theoretisch auch die Schweiz nach 30 Jahren den Zugang zu ihren Dokumenten. In der Praxis aber erschweren oder verunmöglichen immer mehr Hindernisse, Komplikationen und langwierige Prozesse die Einsicht in Archive. Die Schar der Juristen, von denen es in den Verwaltungen und Archiven nur so wimmelt, rechtfertigt diese Hürden immer öfter mit dem angeblichen Schutz der Privatsphäre, womit ein neuer Typ von «politisch korrekter» Zensur entsteht. Angefacht wird die Verbissenheit, mit der zensuriert wird, durch das «Google-Paradoxon», wie wir es nennen könnten: Je einfacher es ist, im Web auf eine Information zuzugreifen, umso höher wird die Notwendigkeit eingeschätzt, diese zu zensurieren, um die Privatsphäre zu schützen. Genau wie Winston Smith also schreiben die Archive der Schweiz ihre Bestände um, damit sie – in zensurierter Form – ins Netz gestellt werden können. Heute hat sich die Zensur von der Staatsräson zur privaten Räson verschoben, für die Historiker ist es deswegen aber nicht einfacher geworden, die «Löcher der Erinnerung» zu stopfen. Und trotzdem: Früher oder später wird die Wahrheit immer ans Licht kommen und die von jedem Winston Smith verrichtete Arbeit vereiteln.

[Datum der Erstausstrahlung: Radiotelevisione Svizzera RSI, Rete Due, 20. November 2013, 07:05 Uhr]

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